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Hektors magischer Fiktionssprung

  • 2. September 2024

Geneigte Lesende,

es gibt Bücher, die wühlen mich auf. Und dann kann es durchaus passieren, dass … Aber lest selbst.

Hektors magischer Fiktionssprung

Hektors „Fiktionssprung“

Es ist einer dieser ruhigen Nachmittage in der Bibliothek, als ich tief in meinem Lesesessel versunken meine Nase in Vivian Halls Roman „Liebe kann man nicht kaufen“ stecke. Der Protagonist, Asher, ist eine echte Herausforderung für mich. Einerseits finde ich ihn schrecklich, weil er emotional noch immer an seiner verstorbenen Liebe festhängt, andererseits bewundere ich seine Ehrlichkeit sich selbsts gegenüber und gegenüber seiner neuen Liebe, Maxine. Dieses innere Dilemma bringt mich fast zur Verzweiflung. Noch nie habe ich mir so sehr gewünscht, dass sich ein Paar in einem eigentlich Happy End-lastigen Buch trennt, um erst einmal zu sich selbst zu finden, bevor sie einen neuen Anfang wagen.

Kerkertief seufze ich auf und rufe frustriert in den Raum: „Asher, warum bist du so ein sturer Esel? Warum kannst du nicht einfach loslassen und Maxine mit ganzem Herzen lieben? Deine olle Caroline kann mich allmählich mal! Mistkuh!“ Ich weiß, dass ich in diesem Moment lauter spreche, als ich möchte, aber das Buch hat mich so sehr in seinen Bann gezogen, dass ich gar nicht anders kann.

Wenige Sekunden später höre ich ein vertrautes Rascheln und das Klackern von Klauen auf dem Holzboden. Hektor, mein Bücherdrache, taucht im Türrahmen der Bibliothek auf, seine schuppige Stirn in Falten gelegt, während er mich mit neugierigen Augen ansieht. „Ka, was bringt dich denn so auf die Palme?“ fragt er und kommt näher. „Ist es dieses Buch?“ Er deutet mit einer seiner scharfen Klauen auf den Roman in meinen Händen.

Ich nicke und erzähle ihm von meinem Dilemma mit Asher, von meinen gemischten Gefühlen gegenüber der Figur und meiner Frustration darüber, dass Asher so sehr an seiner Vergangenheit hängt, was mich gelinde gesagt allmählich zur Weißglut bringt. Himmel, Arsch und Zwirn! Und dann ist er so ehrlich in seiner Gedankenwelt, und ich bin so froh, dass Maxine keinen so großen Einblick darauf hat wie ich als Leserin. „Weißt du, Hektor,“ sage ich nachdenklich, „ich wünschte, ich könnte ins Buch springen und Asher ordentlich eine mit der Bratpfanne überbraten, damit er endlich begreift, welches Glück er mit Maxine haben könnte. Es ist, als würde da irgendetwas faul sein mit seiner alten großen Liebe, und er merkt es nicht mal und hält daran fest, sie auf ein verdammtes Podest zu stellen. Dem kann kein lebender Mensch wie Maxine gerecht werden. Das bringt mich fast um den Verstand!“

Hektors magischer Fiktionssprung

So könnte es aussehen, wenn Hektor und ich in der Bib sitzen. Könnte! 😀

Hektor schnaubt leise ein niedliches Rauchwölkchen aus seiner Drachennase, was einem zustimmenden Nicken gleichkommt. „Kleines, du würdest dich wundern, wie oft Leser das Bedürfnis haben, in ihre Bücher zu springen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Aber du musst verstehen, dass das nicht ohne Risiko ist.“

„Was meinst du damit?“ frage ich, die Stirn in Falten gelegt.
„Nun, mit meiner Bücherdrachenmagie könnte ich dich tatsächlich in das Buch hineinspringen lassen. Es wäre eine Art magischer Fiktionssprung – du würdest durch ein Portal in eine andere Dimension reisen, die allein von den Worten des Buches geschaffen wird. Dort wärst du Teil der Geschichte, könntest mit den Figuren interagieren und vielleicht sogar die Handlung beeinflussen.“

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, was Hektor dank seines großartigen Gehörs nicht verborgen bleibt. Seine gletscherblauen Augen starren gebannt auf den betreffenden Muskel. Die Vorstellung, Asher tatsächlich gegenüberzustehen und ihn zur Vernunft zu bringen, klingt verlockend. „Wirklich, Hektor? Das könntest du für mich tun? Das wäre absofuckinglutely großartig!“

Unversehens verdüstert sich Hektors Miene, seine Augen verengen sich warnend zu Schlitzen. Er tritt näher an mich heran, beugt sich vor und kesselt mich ein, während er seine Klauen links und rechts auf die Armlehnen des Sessels krallt. Hoffentlich wird der flauschige Stoff davon nicht in Mitleidenschaft gezogen, denke ich ungewollt. „Aber es gibt eine Gefahr, Ka,“ sagt er leise, „eine sehr große Gefahr. Sobald du in die Buchwelt eingetaucht bist, besteht das Risiko, dass du die Realität vergisst und die Fiktion als deine neue Realität wahrnimmst. Du könntest in der Geschichte verschmelzen, bis du selbst nur noch ein Teil davon bist. Und wenn das passiert, gibt es kein Zurück mehr. Ich könnte dich nicht mehr aus dem Buch rausholen.“

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. „Scheiße. Das klingt düster, Hektor. Als könnte ich für immer verloren gehen.“

„Genau das könnte passieren,“ bestätigt Hektor mit einem ruckartigen Nicken. „Deshalb werde ich dir diesen Fiktionssprung auch nicht ermöglichen. So sehr du auch wünschst, Asher wachzurütteln – es ist das Risiko nicht wert. Dein Platz ist hier bei mir, in der Realität, und so sehr die Buchwelt dich auch anzieht, sie darf dich nicht verschlingen.“ Der Gedanke scheint ihn zu entsetzen. Vorsichtig fahre ich mit der Hand über seinen nun gebeugten Kopf und streiche langsam über die schuppige Haut und seine Drachenhörnern. Wohlig schnurrt er auf. Mit einem tief aus dem Bauch kommenden, leisen Knurren hebt er sein Haupt und sieht mich intensiv an.

Ich nicke ihm langsam zu, während seine Worte meinem Kopf nachhallen. „Danke, Hektor,“ sage ich schließlich. „Manchmal verliert man sich in Büchern, aber du hast recht, die Realität darf man dabei nicht aus den Augen verlieren.“ Ich küsse ihn auf die Drachennase, was Hektor dazu veranlasst, sanft zu lächeln. „Es ist gut, dass du das verstehst, Ka. Bücher sind wunderbare Welten zum Träumen, aber sie sind nicht das wahre Leben. Und ich möchte dich nicht verlieren.“

Ich sehe in seine weisen Augen und fühle mich gleichzeitig getröstet und gewarnt. „Ich werde dich nicht verlassen, versprochen,“ sage ich schließlich, und Hektor nickt. Zufrieden rollt er sich vor meinen Füßen zusammen, ganz ohne das riesig-flauschige Kissen, während ich über seine Worte nachdenke und Asher, wenn auch nur in Gedanken, einen letzten eindringlichen Rat mit auf den Weg gebe.

 

© Copyright September 2024 von Ka, Meine tägliche Dosis. Alle Rechte vorbehalten.

Hektors magischer Fiktionssprung

Mehr zum Buch gibt es in der Rezension! Damit Ihr nicht lange rumklicken müsst, um sie zu lesen, hier der *KLICK*  😀

In diesem Sinne und bis bald,

Ka

 

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