Blog Kas Tatsachenbericht

Romantisierte, sexualisierte Gewalt?

  • 30. Oktober 2024

Hmmm geneigte Lesende,

Ihr wisst ja, dass ich mich gerne in Rezensionen tummle, um zu lesen, was andere Leser von einem Buch halten, das ich lesen möchte oder bereits gelesen habe. Und dabei stößt man natürlich immer wieder auf Dinge, die einem kurz den Atem rauben oder die Frage aufwerfen: Haben wir dasselbe Buch gelesen?

Eben erging es mir wieder so, und so lande ich beim Thema sexualisierte Gewalt in Romances. Es ist definitiv eine Kontroverse, weil sexualisierte Gewalt in Romances – je nach Genre – als literarisches Mittel zur Charakterentwicklung eingesetzt wird, aber dadurch – logischerweise – auch als problematische Romantisierung angesehen wird. Romantisierte Gewalt bezeichnet die Darstellung von gewalttätigen oder übergriffigen Handlungen in einer Weise, die sie als akzeptabel oder sogar erstrebenswert erscheinen lässt, oft im Kontext romantischer Beziehungen. Diese Art der Darstellung kann die Grenzen zwischen einvernehmlicher und nicht einvernehmlicher Interaktion verwischen und vermittelt den Eindruck, dass Gewalt oder Übergriffigkeit Teil einer leidenschaftlichen oder aufregenden Beziehung sein können. Dies kann dazu führen, dass solche Handlungen im realen Leben verharmlost oder nicht als problematisch wahrgenommen werden.

Man sollte sich darum stets dessen bewusst sein: Was ist Fiktion — was ist Realität? Klar, es ist leicht, sich in den spannenden, oft total emotional aufgeladenen Welten eines Romans zu verlieren und sich mit den Charakteren und ihren Handlungen zu identifizieren. Doch dabei ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass diese Geschichten „nur“ aus der Vorstellungskraft von Autoren stammen und nicht die Wirklichkeit 1:1 widerspiegeln. Die Handlung, die Dramatik, aber auch die zwischenmenschlichen Beziehungen folgen oft einem Muster (denkt doch nur an das immer und immer wieder kehrende Happy End! Nicht, dass ich was dagegen hätte!), das speziell darauf ausgelegt ist, den Lesenden zu fesseln und in eine andere, fiktive Welt zu entführen. In der Realität sieht es ganz anders aus. Die Menschen sind viel vielschichtiger, die Konsequenzen realer Entscheidungen absolut schwerwiegender (am Beispiel Mafia-Romances kann man das Dingfest machen: Da wird um sich rumgeballert und die Polizei taucht nicht auf!), und die Grenzen dessen, was akzeptabel ist, verschieben sich nicht so flexibel wie in einer fiktionalen Geschichte. Eben dieses Bewusstsein hilft, die Welt eines Buches zu genießen, ohne den Bezug zur eigenen Realität zu verlieren.

Doch was passiert, wenn zwei Leser desselben Buches unterschiedlich über die angeblich „romantisierte Gewalt“ empfinden? Während es ein Lesender höchst verwerflich findet, dass es zu vielen solch übergriffigen Szenen kam, die ich selbst nicht so empfunden habe, weil es nie – an keiner Stelle – gegen den Willen der Protagonistin geschah?

Macht mich das zu einer abgestumpfteren Leserin, oder empfinde ich es einfach anders? Ich überlege die ganze Zeit, wo ich so etwas im Buch überlesen hätte können, und kann mich an keine erotische Szene erinnern, in der etwas geschah, was die Protagonistin nicht wollte. Doch HALT! Ein Nebencharakter, der einen kurzen Auftritt hatte, wurde sexuell in gewisse Dinge „unterwiesen“, die ihr — erkennbar aus ihrem kurz Erzählten — sichtlich zuwider waren. Aber hier war deutlich zu erkennen, dass es definitiv nicht „romantisiert“ war.

Ich weiß, Lesegeschmäcker und Empfindungen sind unterschiedlich, und ja, ich weiß, romantisierte, sexualisierte Gewalt wird vor allem verwendet, wo Macht und Kontrolle ein zentrales Thema sind, wie z.B. im Genre „Dark Romances“. Für die einen ist es belastend, für die anderen kathartisch? Wie dem auch sei, jeder Lesende geht mit unterschiedlichen Voraussetzungen, unterschiedlichen Vorkenntnissen, unterschiedlicher Vergangenheit, unterschiedlichen Emotionen an ein Buch heran, deswegen ist es wichtig, dass Trigger-Warnungen vor dem Lesen eines Buches ausgesprochen werden, denn dies erlaubt jedem Lesenden selbst zu entscheiden: Ist das Buch etwas für mich oder nicht?

Was ich als Warnung jedoch überflüssig ansehe – aber ich weiß, dass es von vielen Lesern gewünscht wird – ist, dass ich vor dem Lesen eines Buches, welches im Genre „Gay“ angesiedelt ist, einen Hinweis finde, dass es eben „Gay“ ist. Ich denke mir dann immer: Hallo? Wenn ich den Klappentext lesen würde, würde ich sofort erkennen, dass es sich um eine M-M-Romance handelt und nicht um eine F-M-Romance. Das würde natürlich implizieren, dass ich Klappentexte lese! *lacht* Das Fehlen socher Warnungen sollte Lesende dann allerdings nicht dazu verleiten, ein Buch, weil es im Genre „Gay-Romance“ geschrieben wurde, zu verteufeln, weil sich darin Männer lieben.

In diesem Sinne,

Ka

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