Buch

Dark Romance oder wenn Gewalt verharmlost wird

  • 9. April 2025

Achtung. Nicht jugendfrei. Explizite Wortwahl und klare Meinung. Lesen auf eigene Gefahr.

Geneigte Lesende.

Manchmal frage ich mich wirklich, ob meine Leseapp, die ich auf dem Handy installiert habe, mich nicht doch irgendwann anschreit: „Ka, bitte, BITTE hör auf, dir diesen Mist reinzuziehen!“ Aber gut, ich wollte es wissen. Und wurde so geschockt, dass ich vor Frust beinahe in mein Autolenkrad gebissen hätte, während mir aus dem Buch vorgelesen wurde. Und ich werde auf alle Fälle KEINE REZENSION dazu schreiben.

Aber fangen wir von vorne an.
Ich bin wirklich keine Leseratte, die bei jeder dunklen Szene sofort die Trigger-Karte zückt. Wirklich nicht, denn meist kann man bereits aus dem Klappentext das Nötige herausziehen an welches Leser-Klientel das Buch gerichtet ist. Nicht immer, aber oft. Ich lese Dark Romance. Ich weiß also was mich erwartet – düstere Themen, Machtspielchen, durchaus auch toxische Typen. Ich nehme das wissentlich in Kauf. Und um’s mal klar zu sagen: Ich bin nicht empfindlich, wenn ein Buch mal über die Grenzen des Gewöhnlichen hinausgeht. Aber vor dem Buch, das ich gerade lese — das ABER bitte in Großbuchstaben – habe ich fast noch nie eine derart verharmlosende Darstellung sexualisierter Gewalt serviert bekommen, wie in diesem Werk.

Die Handlung?
 Held trifft Heldin in einem Club – One-Night-Stand an einer der schummrigen Clubwände, während sich die anderen Clubbesucher auf der Tanzfläche austoben. Für manche ist das sicherlich die höchste Form des Vergnügens. Soweit, so gut.

Und dann kommt dieser Kerl auf die großartige Idee, sich in einen Stalker der Kategorie „DELUXE“ zu verwandeln. Nicht diese romantisierte „Ich warte im Regen auf dich, mein Schatz“-Variante. Nein. Der Typ wird übergriffig, besitzergreifend, gruselig, während die Protagonistin echte Angst ihm gegenüber entwickelt und die Polizei alamiert. Spätestens in dem Moment, als er einen Nebenbuhler aus dem Spiel kickt, mit einem Messer (!) auf die Protagonistin losgeht und sie zum Sex zwingt, war mein Puls irgendwo bei 180 – und nicht aus erotischer Verzückung, falls das irgendwer glauben sollte. Es brodelte gewaltig Wut in meinem imaginären Suppentopf.

Sie wollte nicht. Punkt.
 Man merkt es in jeder einzelnen Zeile. Und dann ritzt dieser Vollarsch – sorry, ich bleibe bei dem Ausdruck, denn alles andere wäre noch zu nett – auch noch seinen Namen in ihren Rücken. Mit dem Messer. Nach dem nicht einvernehmlichen Sex stopft er seinen Schwanz (Jawoll, das Wort bleibt jetzt auch stehen! Und ich werde mir den Mund nicht mit Seife auswaschen, weil ich das Wort „gesagt“ habe!) zurück in die Hose, trollt sich und versinkt kurz darauf in Selbstmitleid und einer Flasche edlen Whiskys. Häh … was geht da ab?

Und jetzt haltet euch fest.
 Was tut sie?
Sie denkt doch tatsächlich, es könnte wie eine Vergewaltigung ausgesehen haben – aber es war ja keine, schließlich hätte sie sich mehr wehren können.

Also, jetzt mal ernsthaft: Der Typ hatte ein Messer in der Hand. Hat es benutzt. Hat sie gezwungen. Das war ganz deutlich zu lesen. Und wir reden hier nicht von einer dubiosen Grauzone im konsensuellen Kink-Bereich. Das war keine fantasievolle Dom/Sub-Szene mit Safe Word, das war einfach nur ein Angriff. Der Kerl hat sich an ihrer Angst aufgegeilt. Und dieser Angriff wurde im Nachgang mit einer Prise Schuldgefühl von Seiten des Protagonisten garniert und als tragische, missverstandene Liebesszene verkauft. HALLO, geht`s noch? Ich kann gar nicht so viele Fragezeichen setzen, wie ich in diesem Moment im Kopf hatte.

Noch mal zum Mitschreiben:
 Ich lese Dark Romance. Ich lese toxisch. Ich lese Macht und Schmerz. Ich lese auch Szenen, bei denen man sich denkt: Uiuiui, das war jetzt aber drüber! – wenn sie gut geschrieben und im Kontext nachvollziehbar sind. Damit kann ich umgehen, wenn es Autor bzw. Autorin schafft, es glaubhaft zu vermitteln.  Aber das hier war einfach nur gefährlich – weil es die Grenze zwischen Gewalt und Erotik nicht nur verschwimmen lässt, sondern sie mit einem Panzer überfährt und dann winkt, als wär’s ein Sonntagsausflug.

Mir wurde während des Lesens der Eindruck vermittelt, dass diese Szene nicht freiwillig und erotisch war – gut so. Aber dann der Versuch, es im Nachhinein doch irgendwie zu rechtfertigen? Sorry, da hört’s bei mir definitiv auf. Wie gut, dass mich niemand hören konnte, als ich im Auto vor mich hin geschimpft habe.

So, ich musste das loswerden. Sonst wär ich geplatzt. In diesem Sinne:
 Lasst euch nix einreden. Weder von fiktiven Psychos mit Messern, noch von Texten, die Gewalt unter einem Zuckerguss aus Selbstmitleid und „vielleicht war’s ja gar nicht so schlimm“-Rhetorik servieren.

Ka

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