Hektor und …. aber lest selbst!
„Du weißt, dass du ein Bücherdrache bist, wenn dein Haus einen Tick davon entfernt ist, als Bücherei durchzugehen. Na, da gehe ich glatt als einer durch!“ Mit einem fetten Grinsen lasse ich meine Blick über die gut gefüllten, deckenhohen Bücherregale gleiten. Selbst die obligatorische, bewegliche Leiter fehlt nicht die es mir erlaubt, an der Regalwand entlang zu rauschen. Es kommt tatsächlich einem Rausch gleich, wenn die Buchrücken an einem vorbei huschen! Der pure Orgasmus für die Augen. Apropos Augen, unversehens landen meine in denen von Hektor, der es sich auf dem riesigen Ledersofa bequem gemacht hat, das gegenüber vom Ohrensessel steht, auf dem ich mich nieder gelassen habe.
„Ich bin der Bücherdrache im Haus, Kleines.“
„Das weiß ich doch, Hektor. Ich meinte das nur metaphorisch. Wobei, metaphorisch in deinem Fall wohl eher ungünstig ausgedrückt ist, denn du bis irgendwie eine lebende Metapher. Deine Gattung sollte es eigentlich gar nicht geben! Fiktiv ja, aber nicht in der Realität …“ Immer wieder gerate ich darüber ins Staunen, dass ich hier auf dieser Burg lebe und arbeite. Inklusive eines Drachen, dessen Drachennest eine dermaßen große Sammlung an alten und exquisit erhaltenen Büchern beinhaltet, das mir schlicht die Spucke weg bleibt, wenn ich nur daran denke!
Bis ich mich versehe hat er sich, unter lautem Knarzen des Sofas erhoben, mich aus dem Sessel geklaubt, vor sich hingestellt und meine rechte Hand nach oben auf seinen breiten, schuppigen Brustkorb gelegt. Exakt an die Stelle, an der sein Herz kräftig vor sich hin pocht. Ich meine es sogar schlagen zu hören. „Fühlt sich das fiktiv an, Ka?“, seine gletscherblauen Augen scheinen sich in meine braunen hinein zu bohren.
Ich schlucke hektisch und mit einem leisen „Nein“, versuche ich meine Hand von seinem Körper zu ziehen. Anstatt mich gewähren zu lassen, zieht er mich näher an sich heran. „Und das? Fühlt sich das fiktiv an?“, sanft bläst er seinen warmen, leicht nach Holzfeuer riechenden Atem durch die Nüstern über mein Haar. Schnappt sich eine der Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst haben und wickelt sie um seine Drachenklaue, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, oder gar zu ziepen. Es ist erstaunlich, wie sanft Hektor trotz seiner großen Drachengestalt sein kann.
„… kannst du bitte meine Hand loslassen?“ Versuchsweise pikse ich mit dem Zeigefinger meiner linken Hand in seinen Bauch, dessen Haut nur noch mit vereinzelten Schuppen überzogen ist. Im Gegensatz zu seinem restlichen Körper, mutet die Haut dort fast samtig an und ich ertappe mich dabei, dass ich mit der Handfläche versuchsweise darüber streiche. Ein himmlisches Gefühl. Die Muskeln unter meiner Hand zucken und mit einem harschen Ausatmen lässt Hektor meine Hand los und tritt zurück.
Ist mir nur so warm, oder hat irgendwer die Heizung aufgedreht? „Ich weiß nicht woran es liegt, aber immer wenn ich in deiner Nähe bin, fühlt es sich an als würde die Raumtemperatur um ein paar Grad steigen“, flutscht es ungefiltert aus meinem Mund, während ich meinen Blick über seinen Brustkorb hinauf über den sehnigen, beschuppten Hals zurück zu seinen Augen wandern lasse, deren reptilienartigen Pupillen sich stark geweitet haben, dass vom Blau nur noch ein Rand zu sehen ist.
Ein Räuspern rumpelt aus Hektors Kehle: „Ich bin ein Drache. Es liegt in meiner Natur, dass meine Körpertemperatur höher ist als die von Menschen.“ „Das ist mir bewußt. Doch wenn ich dir näher komme, scheint sie zusätzlich anzusteigen“, neugierig sehe ich ihn an und während meine Ohren Tango tanzen ob der Tiefe seiner Stimme, dreht er sich abrupt um und geht Richtung Tür. Mit einem „Das bildest du dir ein, Menschlein“, verschwindet er in seine Drachenhöhle. „Das bilde ich mir nicht ein, es ist so real wie du, Drache!“, rufe ich ihm hinterher. Doch kein Ton ist von unten zu hören …
Drachen! Besonders dieser! *pffft*
© Ka, 02.02.2020 Meine tägliche Dosis