Blog Hektor

An einer erotischen Szene geknuspert

  • 6. Juli 2024

„Hab’ ich dich erwischt, Ka!“ Mit einem Satz springe ich aus meinem Lieblingsohrensessel und sehe verdattert zu Hektor auf, der mit vor der Brust verschränkten Armen vor mir steht.
„Wie meinen?“, stelle ich mich dumm und drücke prüfend meine Hände auf meine Wangen, nur um zu testen ob sie so heiß sind, wie sie sich anfühlen. Sind sie. Verdammt, was war das auch für eine Szene, die ich da gerade gelesen habe. Regelrecht skandalös.
„Wie meinen? Du hast das jetzt nicht ernsthaft gesagt, Kleines!“ Hektor stemmt seine Hände in die schmalen Hüften und blitzt mich an. „Ich habe dich genau beobachtet und das seit mindestens fünf Minuten. Du bist unruhig auf deinem Sessel herumgerutscht, hast plötzlich deine Augen weit aufgerissen, während dir die Röte ins Gesicht geschossen ist. Gib es offen und ehrlich zu, du hast an einer erotischen Szene geknuspert.“ Ein Grinsen breitet sich auf seinem kantigen Gesicht aus. Ganz nah beugt sich Hektor zu mir herunter, bis sich unsere Nasen berühren. „Lass hören, was du da gerade gelesen hast. Ich bin neugierig.“
Heiliges Kanonenrohr. Ich habe ja schon viel gelesen, was Erotik betrifft. Wirklich viel. Von Ingwer, der in eine Vagina eingeführt wird, von Rollenspielen, gynäkologischen Stühlen, auf denen die Protas Sex hatten, und so weiter. Aber hiervon habe ich – jedenfalls kann ich mich nicht erinnern – noch nicht gelesen. Moment, da wabert eine Erinnerung ganz ganz weit hinten in meinem Hippocampus. Aber mir fällt verdammt noch mal nicht ein, in welchem Buch das geschehen war. Grüblerisch durchforste ich erneut meine Gehirnwindungen nach dem Erinnerungsgespinst und vergesse dabei Hektors Frage, bis dieser erneut seine Nase an meine stupst.
„Sorry, ich bin immer noch etwas mitgenommen von dieser Szene und mir will nicht einfallen, ob ich dergleichen schon mal gelesen habe, Bücherdrache“, plappere ich los und gehe unversehens ins Detail. „Okay, bei der Konstellation eine Frau mit zwei Männern gibt es ja die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Sie kann einem der Kerle einen … ähm … du weißt schon.“ Scheibenkleister! Ich muss das irgendwie gewählter in Worte fassen, schließlich steht Hektor vor mir. Ich merke ihm an, wie sehr er bereits an meinem Unbehagen ergötzt. „Wo war ich stehengeblieben?“, frage ich scheinheilig nach.
„Ich glaube, du wolltest gerade sagen, dass die Protagonistin einem der Kerle einen blasen kann, während der andere sie genüsslich …“, erzählt Hektor feixend meine Geschichte weiter, bevor er von mir unterbrochen wird. „… sie genüsslich mit seinem Zauberstab beglückt.“
„Mit seinem Zauberstab? Das ist jetzt nicht dein Ernst, Ka!“
Unverdrossen rede ich mich weiter um Kopf und Kragen: „Natürlich wäre auch die Sandwich-Stellung möglich, Hektor. Du weißt schon, die Frau zwischen den Männern, während einer sie vaginal und der andere seinen Penis anal … OMG! HEKTOR! Ich werde dir das jetzt nicht noch näher erläutern.“ Kommt es stotternd aus mir heraus.
„Doch, doch, Kleines. Es macht irre Spaß dir zuzusehen, während du dich nicht nur verbal wie ein Aal, sondern auch deine Hände ineinander windest.“ Mit seiner großen rechten Hand umfasst er meine Hände um sie still zu halten. „Beruhig dich. Hole tief Luft und denke daran wer vor dir steht. Nur dein Bücherdrache, der, da kannst du dir ganz sicher sein, schon alles gelesen hat, was es in Sachen Erotik und erotischen Praktiken gibt. Also raus damit.“
Als ob mir das helfen würde. Mit Sicherheit hat er schon darüber gelesen, dass eine Frau von zwei Männern gleichzeitig vaginal erfreut wurde! Richtig gelesen. Zwei Penisse in einer Vagina. Plötzlich plopt ein Bild vor meinem inneren Auge auf, auf das ich definitiv verbal zurück greifen werde. Langsam ziehe ich meine Hände aus Hektors Griff, nehme meine Bluse an den Enden, um sie glatt zu ziehen, verschränke meine Hände hinter dem Rücken und richte mich zu meiner stattlichen Größe von 1,61 m auf. „Nun gut, Hektor. Du hast es nicht anders gewollt. Ich erzähle dir, was mich in dieser erotischen Szene so erstaunt hat. Die Protagonistin war mit ihren beiden Männern im Bett zugange, zwei wahren Prachtexemplare. In jeder Hinsicht! Sie hatten Sabberlätzchen-Potential“, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen und sehe gerade noch, wie mein Bücherdrache seine Augenbrauen nach oben zieht. „… und diese Ménage-à-trois war heiß geschrieben Hektor. Was mich jedoch komplett unverhofft traf, ja, regelrecht überrollte, war, als jeder von den beiden Kerlen sein Würstchen in ihr Senfglas steckte. 2 Würstchen in einem Senfglas! Kannst du dir das bildlich vorstellen, Hektor? Doppelt gemoppelt sozusagen.“
Ohne seine Antwort abzuwarten drehe ich mich um, flüchte aus der Bibliothek und wedle mir hektisch mit den Händen frische Luft zu, als ich höre, dass er plötzlich in brüllendes Gelächter ausbricht. Sein Lachen begleitet mich auf meinem Weg zur Küche. Ich muss mir SOFORT und unbedingt zur Beruhigung einen Aufguss aus Zitronenmelisse machen. Ohne erotische Leseunterbrechungen und ohne einen beobachtenden, alles wissenden Bücherdrache!

© Copyright by Ka, Meine tägliche Dosis — 06. Juli 2024

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