Blog Hektor

Frau Holle? Wotan? Oder doch lieber Hektor?

  • 2. Januar 2025

Geneigte Lesende,

Hektor hat den Wunsch geäußert, dass ich Euch die folgende Geschichte hier niederschreibe, in der er und ich uns über die Rauhnächte unterhalten. Wir (ich soll ihn extra mit dazuschreiben *hust* er kann sehr bestimmend sein, der Herr Bücherdrache) wünschen Euch auf diese Weise ein zufriedenes, neues Jahr 2025! Nun bleibt noch eines zu sagen: Viel Spaß mit meinem Bücherdrachen.

Frau Holle? Wotan? Oder doch lieber Hektor?

„Solltest du nicht samt Heizdecke in deinem Bett liegen, um deine Erkältung ordentlich auszukurieren? Du erinnerst dich sicher genauso gut wie ich daran, dass ich dich vor ein paar Tagen halb erfroren aus dem Schnee gerettet habe, wo du dank deines unzuverlässigen Vehikels gelandet warst?“ Hektor lässt sich zu meinen Füßen auf das Sofa fallen, das nahe am Kamin steht, und wendet mir seinen Oberkörper zu, der in einem körperbetonten, schwarzen Kurzarm-Shirt steckt. Der Kerl hat eindeutig zu viel Hitze. Einen Arm legt er derweil bequem auf der Rücklehne des Sofas ab.

Mit einem Augenrollen hebe ich die kuschelige Decke, in die ich mich gemummelt habe, hoch und deute auf die Heizdecke, auf der ich liege. „Die habe ich mit nach unten genommen. Außerdem ist es vor dem offenen Kamin wunderbar warm.“ Mit einem rauen Husten setze ich mich auf und lehne mich an die Armlehne hinter mir. „Weißt du, Hektor, wir stecken doch gerade mitten in den Rauhnächten. Deswegen habe ich dazu was im Blog geschrieben.“ Sein Blick wandert zum Laptop, der auf dem Couchtisch steht.
„Oh, die Zeit, in der gehörnte Kreaturen und andere finstere Gestalten herumwandern und sich die Seelen der Sterblichen schmecken lassen? Herrlich. Eine ideale Zeitspanne, um zu entspannen“, grinst er mich breit an.

„Du bist unmöglich! Du tust das ziemlich leicht ab, Herr Drache! Ich rede von Mythen, die tief verwurzelt sind, nicht von einem Freizeitprogramm, das dir in den Kram passt“, erwidere ich und stoße ihn spielerisch mit meinem Fuß am Oberschenkel. Schnapp, schnappt er ihn sich und hält meinen Fuß mit der Hand um den Knöchel fest, während sein Daumen hin- und her reibt. So schön. Ein leises wohliges Seufzen entschlüpft meinen Lippen und Hektor sieht mich wissend an.

„Wie ich dich kenne, wirst du mir jetzt genau erklären, woher der Begriff kommt, oder?“, zieht er mich auf. „Wie genau hat diese Zeit ihren Namen erhalten? Lass mich raten, irgendetwas mit Rauch oder Ruß?“ Hektor wirkt amüsiert, als ob er mich auf die Probe stellen will. Ich bin mir sicher, dass er das wesentlich besser weiß als ich. Bei all den Jahren, die er bereits auf dem Buckel hat. Würde mich nicht wundern, wenn er bei der Namensgebung live dabei gewesen wäre.

„Fast, Hektor. Der Begriff ‚Rauhnächte‘ kommt wohl von ‚Jahresnacht‘, weil es das Winterhalbjahr ist – jedenfalls, wenn man den keltischen Jahreskreis als Basis nimmt. Aber hey, dir dürfte eher die Wilde Jagd gefallen, die in diesen Nächten unterwegs ist“, erkläre ich und werfe ihm einen Blick zu, während ich meine Augenbrauen auf und ab hüpfen lasse.

„… die Wilde Jagd?“ Hektors Augen blitzen gefährlich. „Klingt, als könnte ich mich da einreihen. Wer führt die Jagd dieses Mal an, Ka? Frau Holle? Wotan? Oder doch lieber ich?“

„Bestimmt nicht du“, erwidere ich den Kopf schüttelnd. „Frau Holle wäre allerdings interessant. Die schleudert nicht nur Schnee aus ihren Federbetten, sondern führt in manchen Geschichten tatsächlich die Geisterprozession an. Aber ganz ehrlich, Frau Holle möchtest du nicht sehen. Wenn du sie erblickst, hast du verdammtes Pech, denn ihr Blick ist tödlich. Und da du höchst lebendig vor mir sitzt, hattest du mit der werten Dame wohl noch nie das … Vergnügen?“ Man kann ja nie wissen, ne?

„Ach, das übliche ‚Schau nicht hin‘-Gerede. Ihr Menschen glaubt wirklich alles, oder?“ Hektor schnaubt. Mit einem Fingerschnippen hält er plötzlich einen in schwarzes, abgenutztes Leder gebundenen Folianten in der Hand, den ich wahrscheinlich nur schwer mit zwei Händen hochheben könnte. Auf dem Buchrücken kann ich kolorierte Prägungen erhaschen, die wie Schneekristalle anmuten. „Frau Holle könnte mir nie was anhaben, Kleines. Ich werde dir das nachher mit diesem Buch belegen. Immerhin bin ich ein unsterblicher, magischer Drache und kein sterblicher Mensch.“

„Auf deinen Beleg bin ich schon sehr gespannt! Doch immerhin haben die Rauhnächte auch einen praktischen Ursprung. Im Mondkalender fehlen nämlich ein paar Tage zum Sonnenkalender, und so entstanden die zwölf magischen ‚Schalttage‘, die sich ‚zwischen den Zeiten‘ befinden“, fahre ich mit meiner Rauhnächterklärung fort.

„Das klingt, als hätte jemand einfach schlampig Zeit gerechnet“, sagt Hektor mit einem Schmunzeln.
„Wahrscheinlich“, gebe ich zu. „Historisch ist das auch nicht wirklich gesichert, aber es macht eine nette Geschichte, findest du nicht?“
Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. „Meines Wissens nach sollten die Menschen während der Rauhnächte nicht arbeiten. Weißt du auch, was passiert, wenn sie doch arbeiten? Egal ob es sich dabei um Arbeiten im Freien oder im Haus handelt?“
„Dann“, sage ich mit einem grimmigen Lächeln, „könnten die Jenseitigen verdammt wütend werden. Stell dir vor, ein wütender Geist schaut vorbei, während ich Socken falte. Nicht die Art Besuch, die ich mir wünsche.“

„Und du glaubst wirklich, dass es die Jenseitigen kümmert, ob du deine Socken zusammen faltest?“, erwidert Hektor und lacht los.
„Hey, ich werde mich garantiert nicht mit einem Precht-artigen Monster anlegen, nur wegen zusammen gefalteter Socken! Nein danke“, antworte ich und schüttle schaudernd den Kopf. Nicht auszumalen, wie gruselig das wäre, wenn ich Besuch von so einem bekäme. Da würde ich von 0 auf 100 aus der Haut fahren – vor Angst. „Nur schade, dass die Jenseitigen in den Rauhnächten nicht in ansprechender Optik oder Six-Packs aufwarten können, wie es viele der Dämonen bzw. Jenseitigen in den paranormalen LiRos, die ich so gerne lese, tun.“
Hektor streicht selbstzufrieden über sein Aight-Pack. „Oh, dann willst du sicher lieber deinen Lieblingsbücherdrachen?“

„Hektor!“ rufe ich, die Augenbrauen hochziehend. Okay, okay. Ich gebe es zu. Er könnte mit meinen Book-Friends ohne mit der Wimper zu zucken mithalten. Schnell huste ich den Frosch aus meiner Kehle, der sich bei dem Gedanken an Hektors baren Oberkörper breit gemacht hat. „Zurück zum Thema“, krächze ich und reibe mir über die Brust. Gut, dass ich tatsächlich Husten habe, sonst würde er nachfragen, was in mich gefahren ist. Hüstelt. „Es heißt, was man in den Rauhnächten träumt, wird wahr!“ Nur gut, dass ich den Alptraum von Banshee, der Hexe nicht in den Rauhnächten hatte, das wäre nicht auszudenken.

„Interessanter Gedanke“, sagt Hektor, während seine Mundwinkel nach oben wandern. „Dann solltest du unbedingt nackt – so wie ich es mache – schlafen. Wer weiß, vielleicht träumst du ja von mir.“
„Klar doch, Hektor. Du weißt ja, du bist mein einzig wahrer Traum … ähm Alptraum“, erwidere ich mit einem frechen Lachen.

„Was auch immer du dir von mir in deinen Träumen wünschst, Kleines. Ich weiß, du liebst es, von mir zu träumen“, sagt er, mit einem Funkeln in den Augen.

Wo er recht hat …

Jetzt noch den Folianten mit Hektor durchschauen und dann, tja, dann gehe ich mich bettfertig machen …

 

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Frau Holle? Wotan? Oder doch lieber Hektor?

Gehabt Euch wohl, geneigte Lesende!

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